Sonntagnachmittag (28. April) erreichten wir die Metropole Rio de Janeiro. Puhh, wir stiegen aus dem klimatisierten Bus aus und eine Hitzemauer von 37 Grad erschlug uns förmlich. Wir nahmen ein Uber-Taxi zu unserem AirBnB-Appartement im Stadtteil Copacabana. 30 Stunden Busfahrt und wenig Schlaf hielten uns aber nicht davon ab, die Stimmung und das Gefühl unseres letzten Zieles in Südamerika gleich am ersten Abend einzufangen. Und wie geht das besser, als ein Besuch im Maracana-Stadion.
Löws Elf hat 2014 dort die Weltmeisterschaft gewonnen. Am Schalter holten wir fix Tickets und dann ging es rein ins Getümmel. Die Heimmannschaft Fluminense trat an diesem Abend gegen Goias aus dem Bundestaat Brasilia an. Es war der erste Spieltag der neuen Saison und dementsprechend euphorisch sangen die Fans schon auf dem Weg ins Stadion die Hymnen ihrer Mannschaft. Die grandiose Stimmung schwang auf uns über und die Müdigkeit war wie weggepustet. Im Stadion wirbelten die Fahnen, Trommler gaben den Samba-Takt zum Klatschten, Tanzten und Singen an. Obwohl das Stadion nur zu einem Viertel gefüllt war, herrschte in der Fankurve eine berauschende Stimmung. Wir hatten Plätze neben den Fluminense Ultras und bekamen das Spektakel mit Bengalos in den Farben des Heimteams und Sprechchören prima mit.
Die beiden Mannschaften kickten beide ziemlich zweitklassig. Dafür standen ihre Fans erstklassig hinter ihnen und feuerten sie an. Kurz vor der Halbzeit bekm Fluminense einen Elfmeter zugesprochen. Die Gesänge der Fans wurden energischer und auch wir fieberten dem zu erwartenden Torjubel entgegen. Als der Schütze schon bereit stand fiel dann aber plötzlich der Strom im Stadion aus. Bis auf die Notbeleuchtung war es dunkel. Nach kurzer Überraschung nahmen es die Fans aber sportlich und starteten ein beeindruckendes Lichtermeer mit ihren Handys. Einfach Gänsehaut! Hinter uns hatte ein kleines Mädchen sogar vor Freude Tränchen in den Augen.
Die Hitze ließ nun auch nach, denn ein starker Wind zog auf und brachte immer stärker werdenden Regen mit sich. Die Show der Fans endete anscheinend, doch die Stadionbeleuchtung sprang noch lange nicht an. Der Regen prasselte nun so heftig, dass die Besucher in die oberen Ränge unters Dach flüchteten. Die Lichter erstrahlten dann doch wieder und das Spiel ging weiter. Oh noooo, der Schütze des Elfmeters verschoss. Dann begann die Pause. Die recht dünn bekleideten brasilianischen Besucher (und Anni) bibberten durchnässt, bei schlagartig „nur“ noch 20 Grad.
Kurz vor Schluss erzielte Goias den Siegtreffer. Die Fans von Fluminense, die eben noch Feuer und Flamme für ihr Team waren, pfiffen sie nun gnadenlos beim Schlusspfiff aus.
Auf dem Heimweg sahen wir überall in den Straßen dicke Äste und Zweige liegen. Das Unwetter hatte wohl stärker gewütet, als wir es im Stadion mitbekommen hatten.
Am nächsten Morgen nahmen wir die Metro nach Downtown Rio. An der historischen Uhr, dem Treffpunkt der Free Walker Tour, fanden wir uns mit vielen anderen Touristen aus Frankreich, Deutschland, England und Neuseeland ein. Nicoli führte unsere Gruppe von vielleicht 15 Leuten an diesem Tag durch Rio.
Zunächst liefen wir zur Confeitaria Colombo. Seit Ende des 19. Jahrhunderts besteht dieses Kaffeehaus und eröffnete in einer Zeit, als es on Vogue war, Frankreich, dem Land indem Napoleon die Monarchie abgelöst hatte, nachzueifern. Die Brasilianische Königsfamilie, Politiker und viele Prominente haben sich dort schon mit gutem Kaffee- und Kuchenvariationen verwöhnen lassen.
Wir erfuhren, dass von vielen Haussimsen in der Altstadt, eine Art kleiner Aufpasser mit Flügeln am Hut auf die Ein- und Ausgehenden des Hauses wacht.
Dann ging es in eine Kirche, die trotz allen geistlichen Statuten durch die roten Samtvorhägen vor kleinen Balkonen im Kirchenschiff wie ein schmaler Theatersaal wirkte.
Als nächstes tauchten wir in die Geschichte Brasiliens ab: Die ersten portugiesischen Entdecker erspähten im Januar 1502 die Bucht Bahia de Guanabara. Sie hielten die Bucht für einen Fluss und tauften sie deshalb nach dem Entdeckungsmonat, also Rio de Janeiro (Januarfluss). Die ab 1555 an dieser Stelle siedelnden Franzosen wurden schnellst möglich von den Portugiesen verjagt. Letztere setzten sich etwa zehn Jahre später dauerhaft an der Bucht fest. Von 1763 bis 1960 galt sie als die Hauptstadt der portugiesischen Kolonie und später Brasiliens, bis sie von Brasilia als Hauptstadt abgelöst wurde.
In den 1920er bis 1950er Jahren erkoren die internationalen Schönen und Reichen Rio als ihren exotischen Urlaubstraum und reisten in Scharen an. Seit 2012 ist Rio zudem UNESCO-Welterbestätte. Zu größeren Investitionen und Verbesserung der sanitären und verkehrsmäßigen Infrastruktur kam es zudem im Zuge der Fußballweltmeisterschaft von 2014 und den Olympischen Sommerspielen von 2016.
Was bestimmt die wenigsten, und natürlich wir auch nicht wussten, ist dass die Stadt mit vollem Namen: Ciudade de Sao Sebastiano do Rio de Janeiro heißt!
Wir kamen zum ehemaligen Wohnhaus der portugiesischen Königsfamilie, dem Paco Imperal, indem sie im 19. Jahrhundert im Exil lebten. Die Königsfamilie ebnete auch den Weg für die Unabhängigkeit Brasiliens, indem sich nach der Rückkehr des Königs nach Portugal der in Brasilien gebliebene Sohn einfach selbst zum Brasilianischen König krönen ließ.
Im Inneren des Palastes machten wir ein Gruppenbild.
Außerdem erfuhren wir, dass die Farben der Flagge folgendes bedeuten: Die gelbe Raute steht heute für die Bodenschätze, grün für die weiten Urwälder und blau für den Himmel über Rio de Janeiro. Die 27 Sterne stehen für 26 Bundesstaaten und den Bundesdistrikt. Die Stärke des Landes und deren Motto drückt sich über die Wörter „ordem e progresso“ (Ordnung und Fortschritt) auf dem weißen Spruchband aus. Das erklärte sie uns an einem Staatsgebäude.
Nicoli zeigte uns die Avenida Rio Branco. Dort steht das Teatro Municipal. Nach nur drei Jahren Bauzeit war es schon fertig, weil man die meisten Bauteile der Fassade aus verschiedenen Teilen Europas fertig einschiffen ließ und hier nur zusammensetzen musste. Es ist der Pariser Opéra Garnier nachempfunden.
Schräg gegenüber befindet sich die Nationalbibliothek, die zweitgrößte Bibliothek der Welt und ein wunderschönes Gebäude.
Weil Frankreich so beliebt war, eiferte man zeitgleich auch mit langen Boulevards und mit Theatern hinterher. An der Avenida Rio Branco finden noch heute Filmfestspiele statt.
Als nächstes kamen wir am Landschaftspark Praca Passeio Publico vorbei. Der Gestalter entwarf ihn für seine Angebetete. Doch als der Park fertig war, musste sie gestehen, dass sie bereits verheiratet war.
Immer wieder sahen wir im Stadtbild diese lustigen Bäume, deren Früchte wohl für den Menschen nicht essbar sind. Aber Affen im Amazonas mögen den schleimigen Inhalt der Früchte.
Als Letztes auf der Führung gelangten wir in den Stadtteil Lapa. Dort befand sich das begehbare Kunstwerk Escadaria Selaron. Es handelt sich dabei um 215 Stufen, die der chilenischen Künstler Jorge Selaron in farbenfrohen Fliesen „verhüllt“ hat. Für den Außenbereich nutzte er Fliesen in seiner Lieblingsfarbe rot. In der Mitte finden sich bunte Fliesen und immer wieder welche aus allen Herren Ländern. Somit waren Fliesen aus Hawaii, Paris, Sylt und natürlich Berlin vereint. Unsere Tourguide Nicoli erzählte, dass der Küstler auch auf den Treppenstufen ums Leben kam. Ob es Mord oder Selbstmord war, ist bis heute nicht klar. Trotz der tragischen Geschichte ziehen die Treppenstufen jeden Tag Einheimische und viele Touristen gleichermaßen magisch an. Wir ließen es uns natürlich nicht nehmen, die Treppenstufen auch für Erinnerungsfotos zu nutzen.
Danach wollten wir eine kleine Strandrundfahrt mit der „Bonde“, einer historischen Straßenbahn, machen. Leider war sie an diesem Tag außer Betrieb.
Mit einem schnellen Uber-Taxi erreichten wir eine Seilbahnstation, die uns auf den 396 m hohen Pao de Acucar (Zuckerhut) bringen sollte. Die Seilbahn baute eine Kölner Firma in den Jahren 1912/13. Eine historische Gondel von damals konnten wir auch besichtigen.
Mit dem wunderschönen Blick über die Stadt wurden wir ganz melancholisch. Es war unser letzter kompletter Tag in Südamerika. Was alles für aufregende Momente, lustige und kulturelle Erfahrungen hinter uns lagen – und nun hatten wir es geschafft: Wir blickten über Rio de Janeiro, unserem letzten Ort in Südamerika.
Zwischen Wolken versunken, erspähten wir Rios weiteres Wahrzeichen – den Cristo Redentor auf dem Corcovado. Seit 1931 wacht Jesus mit ausgebreiteten Armen auf einem 710 m hohen Berg und Blickt auf Rio herunter. Er ist von vielen Punkten in der Stadt aus zu sehen (wenn er sich nicht gerade hinter Wolken versteckt).
Putzigerweise begegneten wir auf dem Zuckerhut noch einmal den Miniäffchen, die Anni auf der Ilha Grande allein entdeckt hatte. Nun hat Alex sie auch in echt gesehen. Toll!
Abends und tags darauf ging es nochmal ins Shopping-Centers, um Souvenirs zu shoppen. Wo, wenn nicht hier, kann man Tops mit tropischen Blumen und Früchten ergattern?!
Aber auch den Strand vom Stadtteil Copacabana und Ipanema eroberten wir am Mittwoch, den 30. April. Eine aufregende Mischung aus schönen Bars, Cocktailständen, hohen Wellen, der Skyline von Rio und grünen, vorgelagerte Inseln präsentierte sich dort. Irgendwie erinnerte dieser Anblick Anni an Atlantic City, wo wir 2013 gemeinsam waren.
An einem Eiscafé, das laut Reiseführer die beste Eiscreme der Stadt hat, machten wir halt. Es gab eine riesige Auswahl an Sorten und wir nahmen Schokolade mit Kaffee, Mango und Avocado (!!). Sehr köstlich.
Danach liefen wir zur Lagoa Rodrigo de Freitas. Ein malerischer See mit Blick auf teure Mietwohnungen und Wohnkomplexe. Zum Abschied zeigte sich dort nochmal Cristo auf seinem Berg. Hoch geschafft haben wir es leider nicht, zweieinhalb Tage sind halt viel zu kurz für diese aufregende und große Stadt.
Zurück in der Wohnung packten wir fix alles zusammen, weil wir online gesehen hatten, dass es viele Unfälle auf unserer Strecke zum Flughafen gab. Damit verlängerte sich unsere Fahrzeit von 30 Minuten auf eine Stunde 15 Minuten. Sowas plant man irgendwie doch nicht so recht ein. Wir bestellten also ein Uber und ein super sympathischer Uberfahrer, der das beste Englisch der vergangenen Monate sprach, nahm uns gegen 18:45 Uhr mit. Er suchte eine fixe Route heraus. Aber dann tat sich in einem mehrere Kilometer langem Tunnel doch ein wahnsinnig langer Stau auf. Ein Unfall, Feierabend- und Vor-Feiertagsverkehr kamen wohl zusammen. Gefühlt verlängerte sich von Sekunde zu Sekunde unsere Ankunftszeit um fünf Minuten, was sicherlich auch an dem fehlendem GPS-Signal im Tunnel lag.
Totenstille-keiner sagte mehr ein Wort. Es war bereits 19:30 Uhr und unsere berechnete Ankunftszeit sprang auf 20:50 Uhr. Um 21:05 Uhr sollte unser Flug gehen und wir sahen uns schon am Flughafen übernachten bzw. horrende Preise für neue Tickets bezahlen. Nun wurde uns beiden ganz mulmig zumute und wir wussten gar nicht wohin mit uns. Im Hellen hätte man bestimmt ziemlich blasse Gesichter gesehen. Um uns abzulenken, packten wir alle Sachen für’s Handgepäck so ein, dass die Kofferaufgabe und der Security-Check möglichst schnell gehen könnten. Dann endlich erreichten wir den Tunnelausgang und unser Fahrer konnte schneller fahren, sodass die Ankunftszeit auf 20:07 Uhr zurück sprang. Doch etwas erleichtert erreichten wir tatsächlich kurz nach 20 Uhr den Flughafen. Wir rannten mit unseren Rucksäcken ins Gebäude und erschraken, als wir uns widererwarten bei den nationalen Abflügen wiederfanden. Wir rannten also weiter. Mit viel Herzklopfen, erreichten wir unseren Schalter und ein sehr umsichtiger Mitarbeiter fragte uns gleich, wohin wir fliegen. Er merkte, dass Eile geboten ist und bat andere Passagiere beiseite, um uns zuerst einzuchecken.
Wirklich sehr schnell, aber bestimmt als allerletzte Fluggäste, gaben wir unser Fluggepäck ab. Dann rannten wir zum Security-Check und überholten etwas dringlich einige andere Passagiere. Alles lief einwandfrei mit unserem Handgepäck und wir erreichten tatsächlich 30 Minuten nach unserer Ankunft das Gate.
Als wir losflogen, schlotterten uns noch immer die Beine, aber wir hatten es geschafft! Wir saßen im Flieger nach Houston. Von dort aus sollte unser Flieger nach New York gehen.
Nach etwa 10 Stunden Flug erreichten wir Houston. Da unser Weiterflug ein Inlandsflug ist, mussten wir hier offiziell einreisen und auch unser Gepäck ersteinmal wieder holen, ehe es weiter nach New York gehen kann. Dort bleiben wir noch bis Samstag, ehe es zurück nach Berlin geht.
Hier könnt ihr nachverfolgen, wo wir schon waren und gerade sind: https://www.polarsteps.com/AlexEcke/1155771-sudamerika
3 Kommentare
Kommentieren →Ihr Lieben !Eine aufregende letzte Etappe!Habt Ihr aber Gott sei Dank gut hin bekommen!Wir sind über Euren Bericht der Reise sehr dankbar und wünschen Euch heute einen super Heimflug und bis dann!!!!
Eure Familie
toll Euch zu folgen, wie schnell die Zeit vergeht…
Freuen uns von Euch auch mal live einige Erlebnisse zu hören. Wünschen Euch eine gute und sichere Heimreise !
und danken für die erlebnisreichen Berichte !
Die Heimat wartet auf Euch !
Bis bald !
Liebe Grüße aus Wülknitz !
Micha & Ilona
Oh Mann! Was für eine Action zum Schluss! Aber gut, dass alles glatt lief.