Zuerst müssen wir uns an dieser Stelle bei Adrian bedanken. Durch die vielen hochauflösenden Fotos war unser Webspace aufgebraucht und vom Handy aus ließ sich da nur schwer etwas machen. Adrian half prompt und schrumpfte alles ein wenig. So kann es mit dem Blog weitergehen. Und nun zur Reise:
Wie es sich für einen Sonntag gehört, tauchten wir am 15. Februar in das bunte Markttreiben von Cochabamba ein. Es war ein schöner, warmer Tag. Man konnte auf dem Markt alles kaufen, was man sich vorstellen bzw. zu Geld machen kann: Töpfe, Strümpfe, H\nandys, bunte Tücher, Buchaufkleber, Blumen, Fahrräder, Fleisch, Käse, Cornflakes, Obst und Gemüse.
Zum Teil waren die Waren nach Straßen geordnet. So fanden wir einen Straßenabschnitt allein mit Knoblauch und Ingwer. Andererseits gab es auch manchmal ein wildes Durcheinander von Lebensmitteln, Fussballtrikots und Saft-Ständen. Wahrscheinlich haben wir noch nie so viele verschiedene Gerüche auf einmal eingeatmet. Wir liefen nur ein paar Straßen ab, doch der eigentliche Markt ist so groß, wie ein ganzer Stadtteil. Alex musste oft als Einziger gebückt über den Markt laufen, denn die Bolivianer sind in der Regel nicht größer als Anni und bauen deshalb ihre Standabdeckungen sehr niedrig auf. Unser Vorteil ist jedoch – so hoffen wir zumindest – dass mögliche Diebe uns in Ruhe lassen, da sie von seiner Größe eingeschüchtert sind. So passierte uns auf einem der größten Märkte Südamerikas nichts.
Zum Mittag teilten wir uns eine Portion Reis, Zwiebel-Tomatensalat, Kartoffel und einen riesigen Maiskolben auf dem Markt. Eigentlich gehörte dazu Fleisch, aber alles zusammen war vollkommen ausreichend für uns beide.
Außerdem tranken wir einen Pfirsich- und einen frisch gepressten Orangensaft.
Anschließend besuchten wir die große Christusstatue Cristo de la Concordia. Sie befindet sich in 2.800 m über dem Meeresspiegel auf dem Berg Cerro de San Pedro.
Sie ist mit ihren 40,44 m genau 44 cm höher als ihr berühmtes Vorbild in Rio de Janeiro (das wir in zwei Monaten besuchen wollen). Vom Berg aus hatten wir einen herrlichen Blick ins Tal. Die Stadt Cochabamba scheint, um diesen Berg gewachsen zu sein.
Nach einer bibberkalten Nacht bei einer Mautstation auf 4.300 m überquerten wir unseren bislang höchsten Reisepunkt: eine Bergkette mit knapp 4.500 m über dem Meeresspiegel. Am frühen Nachmittag kämpften wir uns durch die immer enger werdende Straßen von La Paz und bezogen ein Zimmer im Stadtteil Sopocachi.
Der Großraum mit 1,6 Millionen Einwohnern ist umringt von Bergen und zeigte sich uns als ein Wirrwarr aus Straßen mit Serpentinen, Häusern aller Epochen, riesigen Märkten und jede Menge Menschen.
Die indigene und ärmere Stadt El Alto liegt auf über 4.000 m, La Paz größtenteils auf etwa 3.600 m und der reichste Stadtteil Zona Sur in Tallage nur noch auf 3.300 m. Wann erlebt man mal, dass man innerhalb einer Stadt den Druckausgleich im Ohr machen muss. Es ergeben sich auf Grund der verschieden Höhen der Stadtteile auch deutliche Temperaturunterschiede innerhalb von La Paz.
Als wir bei unserem Hotel ankamen, entschieden wir, die kommenden zwei Tage das Auto stehen zu lassen und die öffentlichen Verkehrsmittel zu nutzen. Unser Hotelzimmer war mit zwei Doppelbetten ausgestattet, dafür besaß es keinen Kleiderschrank und das Badezimmer befand sich auf dem Gang. Zum Abend genossen wir ein paar Straßen tiefer in Richtung Zentrum Mexikanische Küche und ließen ihn in der Diesel-Bar ausklingen.
Dort war alles aus Stahl, von der Decke hingen Trompeten und an der Wand eine Uhr aus Motoren. Es gab sogar ein Kamin, wie auf einer Berghütte.
Am Dienstag, den 19. Februar ging es mit einem Colectivo, einem privat betriebener Kleinbus im Linienbetrieb, rein ins Stadtzentrum. An den Frontscheiben der Colectivos geklebten Schilder verraten einem die jeweilige Route und die Fahrt kostet pauschal zwei Bolivar (knapp 30 Cent).
Am großen Hauptplatz mit der Iglesia de San Francisco schlossen wir uns einer Stadtführung an.
Diese katholische Kirche ist mit Naturmotiven wie tropischen Vögeln und Weinreben sowie Göttern der indigenen Mythologie verziert.
Um die Indigene Bevölkerung, die diese Kirche auf Geheiß der Missionare erbauen musste, zum Katholizismus zu bewegen, nutzen man einen Trick: Man stellte Spiegel in der Kirche auf, in denen die Indigenen zum ersten Mal ihr Spiegelbild sahen. Sie kannten bislang diesen Effekt nicht. Man sagte ihnen, dass es ihren Seelen in der Kirche so gut gefällt, dass sie dort bleiben wollen. Wenn sie ihre Seele jedoch einmal am Tag in der Kirche besuchten, passiere ihnen nichts Schlimmes.
Anschließend liefen wir zum Mercado de Hechiceria, auch Hexenmarkt genannt. Neben Souvenir-Ständen und Läden mit Lamawolle-Produkten finden sich auch Geschäfte mit Heilkräutern, Liebesseifen und exotischen Zutaten für religiöse Rituale.
Die Einheimischen besuchen jedoch hauptsächlich die „Hexenläden“. An deren Eingängen hängen Lamababies, welche bereits bei der Geburt auf natürlich Weg gestorben sind.
Lamas sind bei der Bolivianischen Bevölkerung in vielerlei Hinsicht von großer Bedeutung! Ihre Felle dienen der Herstellung von wärmenden Stoffen für Pullover, Mützen, Socken, usw., ihr Fleisch ist sehr nahrhaft, sie haben ein sehr geselliges Gemüt und erkennen menschliche Gesichter wieder, was sie zu loyalen Begleitern macht.
Da es gerade die Saison von Kaktusfrüchten war, gab es auf dem Weg zum nächsten Halt eine bereits geschälte, süße Kaktusfrucht am Straßenrand. Um so violetter das Fleisch ist, um so süßer sind sie. Eine Frucht kostet ein Bolivar also umgerechnet etwa 13 Cent.
Am Plaza de San Pedro war gerade Kunstmarkt und eine Musikkapelle spielte dazu. Seltsam war es doch, denn direkt daneben ist das städtische Gefängnis. Das Gefängnis, wie viele in Nord- und Südamerika brutal überbelegt, ist noch im Panoptikum-Stil errichtet. Wer hinein muss, bekommt nicht etwa eine Zelle zugeteilt, sondern muss sich eine suchen und dafür Miete zahlen. Wer es sich leisten kann (korrupte Politiker, Drogenbarone etc.) wohnt wie ein König, ansonsten sind die Zustände katastrophal.
Bis vor einigen Jahren konnten Touristen das Gefängnis im Rahmen von inofiziellen, aber bekannten Führungen besichtigen. Nach einem Zwischenfall, bei dem einige Touristen für mehrere Tage im Gefängnis festgehalten wurden, wurden die Führungen und der Zutritt von ausländischen Besuchern allgemein unterbunden.
Anschließend ging es zum Plaza Murillo, an dem auch einige (historische) Regierungsgebäude sowie das Parlament sitzen.
In der Künstlerstraße Calle Jaen lud uns unsere quirlige Stadtführerin in ihr „Büro“ ein. Es war vielmehr ein Restaurant mit Galerie.
Das Haus ist wohl typisch für La Paz mit einem überdachten hellen Innenhof gebaut. So kommt auch an kühlen Wintertagen Licht in die Wohnungen. Sie bot uns zum Abschied einen Aperitif aus Orangensaft und Bolivianischen Schnaps an. Zudem gab sie weitere Ausflugstipps für La Paz.
Nach drei Stunden Stadtführung genossen wir, wie die Einheimischen, ein drei Gänge-Mittagsmenü abseits der Touristenströme zu guten bolivianischen Preisen. Wir gaben etwa 2 Euro pro Person aus. Super!
Danach begann ein kalter Regen mit großen Hagelkörnern. Das traf sich ganz gut mit unseren Plänen, denn wir wollten bzw. mussten mal nach mehr als vier Monaten zum Friseur. Schnippschnapp Haare ab.
Frisch frisiert genossen wir mehrere Fahrten im Teleférico, der Seilbahn als ÖPNV. Es gibt bereits sieben Linien und weitere Linien sind gerade im Bau. Das Seilbahnsystem, das das Straßenchaos und die 1000 Meter Höhenunterschied innerhalb des Großraums La Paz/ El Alto in Windeseile überfliegt, soll das längste der Welt sein. Wirklich spannende Blicke ermöglichte uns die Fahrt über so die verschiedene Stadtviertel.
Im hoch gelegenen Viertel Ciduad Satélite machten wir eine kleine Wanderung zur nächsten Station.
Als die Dunkelheit einbrach, fuhren wir noch zu einem Aussichtspunkt in El Alto. Alex neuer Lamapulli wärmte an diesem Abend gut.
Wir liefen über einen anderen Hexenmarkt mit kleinen Feuern vor den Häusern zur nächsten Station. Das war schon etwas gespenstisch.
Am Mittwoch, den 20. Februar ließen wir uns noch mit der gelben Gondel ins teure Viertel Zona Sur bringen. Dort gibt es einen schönen Platz zu Ehren von Alexander von Humboldt und jede Menge von schicken Hochhäuser, Villen und Botschaften. Auch die GIZ hat hier ihren Sitz.
Mittags speisten wir in einem Szene-Café. Es gab als Vorspeise zwei tolle mediterrane Empanadas. Alex genoss als Hauptgang ein Sandwich mit dünnen Steakstscheiben mit Möhre-Currysoße sowie ein frisch gepressten Pomelo-Manderinensaft. Für Anni gab es einen leckeren Quinoa-Salat mit kleinen Streifen von Rotkohl-, Möhren- und Stangensellerie, sowie tolles dunkles Brot.
Mit dem nächsten „Lufttaxi“ ging es wieder in die Innenstadt und zum Cocamuseum. Trotz leicht veralteter Inhalte war es durchaus spannend. Neben uns sahen fasst nur Deutsche das Museum an. Wir erfuhren viel über das traditionelle „Zerkauen“ der Blätter sowie um deren wichtige Bedeutung für die hart arbeitenden Minenarbeiter.
Und zur Geschichte: Zunächst verbot nämlich die Kirche die seit Jahrtausenden in dieser Region genutzte Coca-Pflnze als Pflanze des Teufels. Doch als man merkte, dass die Sklaven und Arbeiter mit Coca in den Minen länger und härter arbeiten konnten und die Schmerzen der Anstrengungen und den Hunger besser aushielten, wurde das Verbot aufgehoben.
Noch heute gehören die Blätter zum gesellschaftlichen Leben in den Anden dazu und dienen, wie unser geliebter Kaffee, nach Mahlzeiten zum Überstehen u.a. des Mittagstiefs. Andererseits kann es auch betäubend wirken. Beispielsweise nutzten die Inka das Coca, um Kranke zu betäuben und Operationen durchzuführen – Ewigkeiten bevor synthetische Varianten in der europäischen Medizin den Betäubungsknüppel ablösten.
Anschließend rollten wir auf einer gute ausgebauten Fernstraße an Märkten vorbei raus aus La Paz. Doch was war das? Alle Colectivos im dichten Verkehr vor uns stoppten in einem Vorort von La Paz und drehten um. Die Anwohner hatten mit großen Steinen eine Straßensperre errichtet und protestierten gegen einen Missstand in ihrer Region. So drehten wir auch um. Laster, Colectivos und wir quälten sich nun durch die matschigen Seitenstraßen des Vorortes. Bei kleinen Flüsschen auf den Wegen blieb auch mal ein Kleinbus stecken, aber wir kamen gut mit unserem Allradantrieb voran.
Nach über einer Stunden, die nur der Umfahrung der Straßensperrungen diente – die offensichtlichen Umgehungsstraßen wurden ebenfalls gesperrt – stockte unser Autokonvoi abermals. Anscheinend verlangsamte sich der Verkehr wegen einer einspurigen Brücke. Als wir dann aber mit der Überfahrt an der Reihe waren, war da gar keine Brücke, sondern ein reißender Fluss mit wenigstens 50 cm Wassertiefe. Ein Colectivos mit bestimmt acht Fahrgästen hatte sich im Flussbett bereits im Schlamm festgefahren. Nun hieß es für uns Augen zu und durch. Um uns herum waren viele Anwohner und Fahrer von LKWs und Colectivos – alle starrten uns an. Und was sollen wir sagen, der Motor unseres Autos ging in der Mitte des Flussbettes aus. Was eine Schrecksekunde! Doch beim ersten Zündversuch ging der Motor wieder an und wir kamen aus dem Flussbett. Puhh. Unsere Beine zitterten noch lange als wir zurück auf der guten Straße waren und im Dunkeln am Titicacasee ankamen.
Ein Polizist bei einer Polizeikontrolle auf dem Weg dorthin fragte uns auch amüsiert, wie die Strecke so war. „Paris-Dakar?“ fügte er noch an.
Unsere nächsten Ziele sind eine Insel auf dem See und dann weiter nach Peru.
Hier könnt ihr nachverfolgen, wo wir schon waren und gerade sind: https://www.polarsteps.com/AlexEcke/1155771-sudamerika
2 Kommentare
Kommentieren →Oh Mann! Was ihr alles erlebt. Da ist mir beim Lesen kurz das Herz stehen geblieben.
Aber gut, dass ihr da rausgekommen seid.
Ihr Lieben!Wir können uns nur anschließen!Das hätte wirklich nicht gut ausgehen können,aber ich hoffe doch der Schutzengel hat ganze Arbeit geleistet. Liebe Grüße von der Familie